Weinlese mit harmonischen Klängen auf dem Weingut Vitis Musicalis

Vincent, der cycle Flash
Vincent der cycle Flash

Tretet kurz in die Pedalen und schon befindet ihr euch im Herzen der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Weinbauterrassen des Lavaux. Diese grandiose Landschaft ist meine absolute Lieblingsgegend rund um Lausanne. Sie birgt einen grossen Schatz, den es für Einheimische und Gäste immer wieder neu zu entdecken gilt: die Weingüter. Zu ihnen gehört auch die Domaine Vitis Musicalis. Das von Alain Chollet und seiner Familie mit viel Leidenschaft geführte Weingut bietet ein einzigartiges Erlebnis, das Weinbau und Musik in perfekten Einklang bringt.

Im Akkord auf Weinlese

Dieses Jahr durfte ich Alain, sein Team, seinen Schwiegersohn Stéphane und rund zehn Erntehelferinnen und -helfer aus der Region und anderswo einen Tag lang begleiten. Hier erfolgt die Weinlese nicht mit Saisonarbeitskräften, sondern Freiwilligen nach einer 2002 ins Leben gerufenen Tradition mit dem Prinzip der „Vendanges à la carte“ (À-la-carte-Weinlese).

 

Der Weinlesetag beginnt mit einem herzlichen Empfang bei Kaffee, Gipfeli und ein paar Worten von Alain zum Tagesablauf. Alle Anwesenden fühlen sich schnell wie ein Teil der Familie. Und schon geht’s los: Wir erklimmen die steilen Hänge des Weinbergs und beginnen mit der Traubenlese. Diese Aktivität fühlt sich grossartig an und erfüllt einen mit Stolz. Man spürt förmlich die Gruppendynamik, während sich die Kisten im Schnelltempo füllen. Mit Rebscheren ausgerüstet haben wir nach nur vier Stunden unter strahlender Herbstsonne an die drei Tonnen Chasselas-Trauben geerntet.

Die Hitzewelle dieses Sommers machte die Trauben empfindlich, sodass die Weinlese früh erfolgen musste: „Die Jahre vergehen, aber kein Jahr ist gleich“, meint Alain, und gerade diese Tatsache macht die Winzerarbeit so spannend.

Nach der Arbeit das Vergnügen: Zur Belohnung lädt die Familie zum Geniessen ihrer Weine und einem geselligen Essen ein. Die Freude am Teilen, Zusammensein und Eintauchen in die lokale Kultur ist allgegenwärtig.

Reben und Trauben im Rhythmus der Musik

Der Name „Vitis Musicalis” kommt nicht von ungefähr. Seit zwei Jahren wendet Alain eine neuartige Methode an, indem er mitten in seinem Weinberg Musiksequenzen ertönen lässt. Zweimal pro Tag stimulieren Schallwellen die natürlichen Abwehrkräfte der Rebstöcke, um sie gegen bestimmte Krankheiten, insbesondere gegen den Befall mit dem gefürchteten Esca-Pilz, resistenter zu machen.

Mit diesem gemeinsam mit dem französischen Unternehmen Genodics entwickelten Ansatz ist das Weingut das einzige in der Schweiz, das auf Pflanzenmusiktherapie setzt. Diese sanfte, nachhaltige, ja gar poetische Alternativmethode steht im perfekten Einklang mit Alains authentischen, visionären und tiefen Verbundenheit mit seinen Reben und deren Gesundheit.

Und wer weiss, dass Alain Saxofon spielt, kann auch sofort nachvollziehen, dass weniger das Fass, sondern vielmehr die Musik seinen Wein reifen lässt, damit dieser seine wahre Authentizität entfalten kann.

Lebendiges Erbe gepaart mit Ideenreichtum

Das Familienhaus aus dem 16. Jahrhundert erzählt ein Stück Geschichte des Lavaux über mehrere Winzergenerationen. Jede Epoche steht für verschiedene Innovationen: von der Mechanisierung über die Diversifizierung bis hin zum Weintourismus, der heute gut die Hälfte der Einnahmen des Weinguts ausmacht.

Mit einer Jahresproduktion von 20 000 Flaschen, davon 60 % Chasselas, geht Alain seine ganz eigenen Wege. Seine Weine sind das Ergebnis geduldiger und aufrichtiger Arbeit auf einem anspruchsvollen Terroir, auf dem er selbst tief verwurzelt ist. Hinzu kommt eine überbordende Kreativität, wovon seine begehrten umgebauten Holzfässer zeugen, die jährlich bis zu 600-mal gebucht werden. Auch für die Zukunft gehen Alain die Ideen nicht aus.

Aufruf an die Einheimischen und Gäste

In einer Zeit, in der die Nachfrage nach Wein zurückgeht (weniger Alkoholkonsum und internationale Konkurrenz), sendet Alain eine klare Botschaft an die Lausanner Bevölkerung: „Vergesst das Lavaux nicht.“ Bestellt Wein aus der Region, kommt zu uns, bleibt mit diesem Erbe verbunden, das Teil eurer Identität ist. Die Weinberge des Lavaux sind weit mehr als ein Postkartensujet für Touristinnen und Touristen. Sie sind ein lebendiger Kulturschatz, der gepflegt und gehegt werden muss.

Für Reisende hält er eine schöne Metapher bereit: „Das Lavaux ist wie eine Auster: Es lohnt sich, Zeit und Mühe aufzuwenden, um sie zu öffnen, denn der innere Reichtum ist umwerfend.“ Also nehmt euch die Zeit, um durch die Weinberge zu streifen, Fragen zu stellen und die Menschen zu treffen, die diese schwindelerregenden Hänge lebendig halten. So geht ihr mit viel mehr als nur einer Flasche nach Hause: Ein Stück Seele des Lavaux wird euch begleiten.

 

Teilnahme an der nächsten Weinlese

Wer nun Lust bekommen hat, die Weinlese hautnah mitzuerleben, kann sich auf der Website des Weinguts Vitis Musicalis jeweils ab Mitte Sommer für die „Vendanges à la carte” anmelden. Sichert euch einen Platz direkt über die offizielle Website vitismusicalis.ch oder per Telefon. Erfahrung in der Weinlese ist nicht erforderlich. Einzig zählt die Lust, einen geselligen Moment zu erleben, das Lavaux einmal anders zu entdecken und selbst Hand anzulegen. Die Plätze sind begrenzt und jeweils schnell vergeben, was davon zeugt, dass die Weinlese ein sehr begehrtes Erlebnis ist und sowohl Einheimische als auch Freiwillige aus aller Welt anzieht.

Egal, wo man zu Hause ist, die Weinlese auf dem Weingut Vitis Musicalis ist ein Bekenntnis zu Wein, Musik und Geselligkeit. Das Kulturerbe des Lavaux ist nur einen Katzensprung von Lausanne entfernt. Springt über euren Schatten, spitzt die Ohren und sichert euch einen Platz für das nächste Jahr. Denn hier singt sogar der Weinberg.

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